Keine Romantik, bitte Dresdner Neueste Nachrichten, 14 November 2017 VON TORSTEN KLAUS |
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Die Bilder leuchten wie Turner-gemälde, in einem gold-gelben Schimmer. Doch von Romantik könnten sie kaum weiter entfernt sein, die Aufnahmen, die Niklas Goldbach bei Globalfoundries in Dresden gemacht hat. Helle Hallen, helle Gänge, alles in Gelb getaucht. Menschen in Schutzanzügen bevölkern diese Reinraum-welt, zu der nur wenige Zutritt haben. Denn bei Globalfoundries im Dresdner Norden werden Halbleiter hergestellt, die wichtigsten Bausteine für unser wichtigstes Werkzeug: den Computer. Mithin wirft Goldbach damit auch den Blick auf etwas fast Geheimnisvolles, auf das, was die heutige Welt im Innersten nicht nur zusammenhält, sondern sie permanent antreibt. Und die Farbe ist dabei, im völligen Gegenteil zu Turner, gänzlich den Fragen einer effizienten Produktion geschuldet: Das gelbe Licht ist zu energiearm, um die empfindlichen Fotolacke zu beeinflussen, die wiederum in ihrer jeweiligen Bearbeitung den Halbleiter erst entstehen lassen. Anders gesagt: Physik statt Romantik.
Fünf Serien, die 33 Bilder umfassen, dazu drei Videos
Goldbach stellt seine Arbeiten unter dem Titel „Trust“in den Technischen Sammlungen aus: fünf Serien, die 33 Bilder umfassen, dazu drei Videos. Der Fotokünstler, der in Berlin lebt, ist der mittlerweile fünfte Gewinner des Dresdner Stipendiums für Fotografie, das seit 2008 alle zwei Jahre vergeben wird. Dabei hat er sich 2016 gegen mehr als 70 Bewerber durchgesetzt und noch im selben Jahr drei Monate in Dresden verbracht.
Trust also – Vertrauen. In wen, in was? Ins Funktionieren der Welt? In die Funktion, die wir in ihr einnehmen? Auf die wir – siehe Goldbachs Reinraum-fotos – ohne weiteres reduzierbar sind, schlimmer noch: vielleicht bald verzichtbar. All das, was er fotografisch bei Globalfoundries abgelichtet hat, könnte irgendwann schließlich auch ganz ohne Menschen ablaufen. Wie gesagt, weit und breit nichts zu sehen von einer romantischen Vorstellung.
Doch wo soll sie auch zu Hause sein heutzutage? Jedenfalls nicht in Goldbachs Arbeiten. Seine Videotrilogie atmet Endzeit, jegliche menschliche Aktivität im Film wird in der Postproduktion entfernt – wie in „Boulevard de l’europe“, dessen Aufnahmen rund um die Absperrungen auf der französischen Seite des Euro-tunnels entstanden. Dort, wo auch zahlreiche Flüchtlinge ihr schwankendes Glück gen Großbritannien wagten. Doch die muss sich der Betrachter dazu denken. Goldbach zeigt lediglich die aufgerüstete, abweisende Sicherheitsarchitektur. Und alles, was sich bewegt, tut das nur wegen des Windes: das kräuselnde Meer, dürres Gestrüpp, rotierende Windräder.
Ähnlich und doch anders ist Goldbachs Ausflug an die amerikanische Küste nach Atlantic City. In dem Spielerparadies sollte ein neuer Riesenkomplex aus Hotel und Casino entstehen: Revel. Dafür musste die kleinteilige Bebauung in Ufernähe weichen. Aber der Gigant mit Glasfassade, in den fast 2,5 Milliarden Dollar geflossen waren, steht leer. Eine Investruine. Vor dem sarkastisch wirkenden postkartenblauen Himmel kreischen nur die Möwen, sonst herrscht Ruhe. Nutzlos alles, wie der abgesperrte Eingangsbereich. Security patrouilliert dennoch im dunklen SUV. Selbst die Leere muss bewacht sein. Und schließlich umrundet Goldbach auch die Dresdner Chipfabrik. So stellt er dem Foto-porträt aus dem Inneren die Aufnahmen von außen gegenüber. Dabei hinterfragt er die Funktion des Ganzen wie auch des Einzelnen in diesem Gefüge. und greift dafür auf einen ungewöhnlichen Stichwortgeber zurück: Marvin, den depressiven Roboter aus Douglas Adams’ „Per Anhalter durch die Galaxis“. Dessen legendär gewordene Aussagen wie „Soll ich mich in eine Ecke setzen und vor mich hinrosten, oder soll ich gleich hier auseinanderfallen?“bringt Goldbach virtuell ins Bild (auf Englisch). Und wirft damit plötzlich doch einen sehr romantischen Gedankengang ein: den des Vergänglichen. Goldbachs Horizont ist zweifellos ein globaler
Das findet sich auch in seinen noch gezeigten Fotoserien, deren Titel alle mit dem Verschwinden zu tun haben: „How it fades“, „For all the dark things“, The lost take“, „Leave them all behind“. Darin koppelt er Nicht-orte, und zwar weltweit. Ob das die Stadt Pardis im Iran ist, ein Bauklotz-alptraum vor felsigem Hintergrund; das California City Correctional Center, ein Gefängnis in der Pampa, das bei Nacht so hell erleuchtet ist, dass man glaubt, einen Brandherd zu sehen; oder der Dresdner Fernsehturm, den Goldbach nur als Ausriss zeigt: Es sind Stätten des Funktionalen, wo das Ästhetische meist durch Abwesenheit glänzt. Womit sich der Kreis wieder schließt. Goldbachs Stärke ist die Unbedingtheit. Er reduziert seine Bilder, das macht sie aussagekräftiger als die meisten Fotos menschenleerer Kulissen, die gern mit dem Thema Entfremdung flirten. Er vergrößert auch, wie schon andere Fotografen in den Technischen Sammlungen, den Kontext. Goldbachs Horizont ist zweifellos ein globaler. Hier ist Dresden nicht der Bauchnabel, sondern lediglich der Teil einer Welt, die nicht immer, vielleicht gar immer weniger zu verstehen ist. bis 26. November, Junghansstr. 1-3, geöffnet Di-fr 9-17, Sa & So 10-18 Uhr
25. November, 18 Uhr: Finissage und Künstlergespräch mit Niklas Goldbach
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