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Drift (Kunsthalle KarIsruhe), 2024 Drift is a series of photographic diptychs exploring themes of representation, loss, absence and memory. During post-production, the landscape-format photographs are cut and their centres are removed. The resulting fragments are then framed separately and presented side by side to form a diptych revolving around a void. These divided and displaced images create an incision through space, image, and time – leaving a gap that must be filled by the viewer’s imagination, turning perception itself into an act of reflection. Drift ist eine Serie fotografischer Diptychen, die Fragen von Repräsentation und Verlust, Abwesenheit und Erinnerung untersucht. Die ursprünglich querformatigen Fotografien werden in der Bildbearbeitung zerschnitten und ihrer Mitte entnommen. Die verbleibenden Fragmente werden separat gerahmt und nebeneinander präsentiert – es entsteht ein Diptychon um eine Leerstelle. Die geteilten und um ihre Einheit gebrachten Bilder markieren einen Schnitt durch Raum, Bild und Zeit. Der fehlende Teil wird durch Imagination ergänzt – die Wahrnehmung wird selbst zu einem reflektiven Akt. Drift (Maryon Park), 2025
These photographs for Drift were taken at the tennis courts in Maryon Park, Greenwich, London – the setting of the final scene in Michelangelo Antonioni’s 1966 film Blow-Up. The tennis court acts as a liminal space between reality and performance. At the end of the film, the protagonist, a photographer, watches a group of mimes play tennis without a ball. When the imaginary ball bounces over the fence, he picks it up and throws it back into play – a gesture of surrender, acceptance, and acknowledgement of the collapse of the distinction between reality and imagination. Diese Fotografien für Drift wurden auf den Tennisplätzen im Maryon Park in Greenwich, London, aufgenommen – dem Schauplatz der Schlussszene in Michelangelo Antonionis Film Blow-Up (1966). Die Tennisplätze fungieren darin als Schwellenraum zwischen Realität und Inszenierung. Am Ende des Films beobachtet der Protagonist, ein Fotograf, eine Gruppe von Pantomimen, die ohne Ball Tennis spielt. Als der imaginäre Ball über den Zaun springt, hebt er ihn auf und wirft ihn zurück ins Spiel – eine Geste der Kapitulation, der Akzeptanz und der Anerkennung des Zusammenbruchs der Grenze zwischen Realität und Fantasie. Drift (Apollo e le Muse I - III), 2024
Series of 3 diptychs, digital pigment prints on Photo Archive Paper, mounted on Alu-Dibond, each 118.3 x 60 cm,
framed with floating frame (…) In Drift wird die Leere als Lücke installativ prominent gemacht. Goldbach knüpft dabei sowohl an die Leere als Topos der Moderne (etwa Yves Kleins Le Vide, 1958) als auch an einen veränderten Bildbegriff an, einer in situ gedachten analytischen Malerei, die das Verhältnis von Bild als Objekt zu Rahmen, Wand und Raum reflektiert (man denke an Robert Ryman). Die Serie der Kunsthallen-Bilder gehört zu einer Werkreihe, die Goldbach kurz vor seinem Besuch in Karlsruhe begann. Inspiriert wurde diese Methode des Eingriffs ins Bild durch eine Beobachtung. Vor dem Berliner Techno-Club Tresor entdeckte er eine modifizierte Reproduktion von Baldassare Peruzzis Apoll und die Musen, eines um 1514–1523 entstandenen Gemäldes, das im Palazzo Pitti in Florenz hängt und hier als Motiv eines Werbebanners diente. Besucher*innen hatten die Bildfläche ausgewählt, um nach durchtanzter Nacht beim Verlassen des Clubs jene Aufkleber loszuwerden, die dem Abkleben der Handy-Kameras dienen. Das digitale Auge der potenziellen Öffentlichkeit oder des eigenen Erinnerns wird verschlossen. Die im Reigen mit dem Lichtgott tanzenden Musen wurden durch die aufgeklebten Farbpunkte mit Unbestimmtheitsstellen übersät – wobei manche Besucher*innen offensichtlich ihre Buttons sehr gezielt auf Augen, Münder oder Ohren der Figuren applizierten. Goldbach fotografierte, separierte und potenzierte damit die Gesten der Auslassung, des Tilgens, die Unbestimmtheitsstellen (…). Auszug aus: Kirsten Claudia Voigt: Auszüge aus Leerstelle, ars memoria und liminaler Raum. Niklas Goldbachs Drift und Arnold Stadlers Die Welt war der Ort, wo wir uns in der Zeit verloren, Katalogtext anlässlich der Ausstellung Niklas Goldbach. Drift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe im ZKM, 5.7.2025–15.10.2025 Excerpt from: Kirsten Claudia Voigt, Excerpts on Void, Ars memoria and Liminal Space. Niklas Goldbach’s Drift and Arnold Stadler’s Die Welt war der Ort, wo wir uns in der Zeit verloren, catalogue essay on the occasion of the exhibition Niklas Goldbach. Drift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe at ZKM, 5 July – 15 October 2025. Drift (Heide I - III), 2024
Series of 3 diptychs, digital pigment prints on Photo Archive Paper, mounted on Alu-Dibond, each 250 x 126,8 cm,
framed with floating frame (1,5 cm) (...) Kurz darauf entstand eine weitere Werkserie dieses Typs aus drei Porträt-Fotografien seiner Mutter in jungen Jahren. Niklas Goldbach hatte die Bilder nach dem Tod seiner Mutter, die an Demenz erkrankt war und 2024 starb, von einer Cousine erhalten – ihm unbekannte Bilder. Sie zeigen die Mutter vermutlich im Jahr der Geburt des Künstlers. Goldbach schuf mit seiner Methode hier ein doppeltes, sehr persönliches und gravierendes Bild des Verlustes, des Abdriftens, des Einschnitts, der Absenz von Erinnerung. Denn die fehlte nicht nur der Mutter am Ende ihres Lebens schmerzlicher Weise gänzlich, sondern auch dem Sohn in Bezug auf jenen Lebensabschnitt der Mutter, der in jenen Fotos aufgehoben war (…). Auszug aus: Kirsten Claudia Voigt: Auszüge aus Leerstelle, ars memoria und liminaler Raum. Niklas Goldbachs Drift und Arnold Stadlers Die Welt war der Ort, wo wir uns in der Zeit verloren, Katalogtext anlässlich der Ausstellung Niklas Goldbach. Drift, Kunsthalle Karlsruhe im ZKM, 5.7.2025–15.10.2025 (...) Shortly thereafter, another series of this type emerged, consisting of three portrait photographs of his mother in her youth. Niklas Goldbach had received the images from a cousin after the death of his mother, who had suffered from dementia and passed away in 2024—photographs previously unknown to him. They presumably show his mother in the year of the artist’s birth. With his method, Goldbach created here a double, deeply personal and incisive image of loss, of drifting away, of rupture, of the absence of memory. For memory was not only painfully absent in his mother’s final years, but also for the son, with regard to that period of his mother’s life which was preserved—yet inaccessible—in those photographs (…). Excerpt from: Kirsten Claudia Voigt, Excerpts on Void, Ars memoria and Liminal Space. Niklas Goldbach’s Drift and Arnold Stadler’s Die Welt war der Ort, wo wir uns in der Zeit verloren, catalogue essay on the occasion of the exhibition Niklas Goldbach. Drift, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe at ZKM, 5 July – 15 October 2025. Drift (Kunsthalle Karlsruhe I - XIV)
Series of 14 diptychs, digital pigment prints on Photo Archive Paper, mounted on Alu-Dibond, each 118.3 x 60 cm,
framed with floating frame Der in Berlin lebende Künstler Niklas Goldbach besuchte die Kunsthalle 2023, als bereits die gesamte Kunst ausgeräumt war: Das fast besenreine Gebäude war für den Baubeginn zur Übergabe an die Bauverwaltung des Landes Baden-Württemberg vorbereitet worden. Es sind die letzten Aufnahmen der im Laufe von knapp 200 Jahren historisch gewachsenen Räume vor dem grundlegenden Eingriff in das Baugefüge. In dieser Zeit seit seiner Eröffnung 1846 hat das Museumsgebäude eine Vielzahl von Erweiterungen, von Veränderungen, Anpassungen und Zerstörungen, von Wiederaufbau und Neubau erlebt (…). The Berlin-based artist Niklas Goldbach visited the Kunsthalle in 2023, when all the art had already been cleared out: the almost broom-clean building stood ready for construction work and the handover to the building authorities of the state of Baden-Württemberg. These are the last photographs of the rooms, which had evolved over almost 200 years of history, captured just before the fundamental intervention in the building’s structure. Since its opening in 1846, the museum has undergone countless expansions, alterations, adaptations, destruction, reconstruction, and new construction (...)
Niklas Goldbach war prädestiniert dafür, die Architektur der Kunsthalle Karlsruhe nach dem Auszug der Sammlung im Jahr 2023 zum Gegenstand eines Kunstprojektes zu machen. Leere Gebäude, Zwischen-und Übergangsräume sind zentrale Bildtopoi seines Schaffens (…). Dass Goldbachs Werdegang mit dem Studium der Soziologie an der Universität Bielefeld begann, deutet seine Disposition für ein künstlerisches Interesse an sozialen Fragen an. Die Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen, historischen Vorgängen und urbanen Strukturen, zwischen Stadt- oder Naturlandschaften und Menschen, die in ihnen leben, sich bewegen, sie definieren oder von ihnen definiert werden, macht er zum Thema. Diese Projekte sind meist seriell und systemisch angelegt. Als er im November 2023 das menschenleere Treppenhaus, die kalten Büros, die verlassenen Ausstellungsräume und die Phalanxen der Transportkisten in der Kunsthalle mit der Kamera erkundete, betrat er einen mehrdeutigen Raum. Letzte, lose baumelnde Drahtseile vor grünen Stuccolustro-Wänden, aufgebrochenes Parkett, in kleinen Fenstern freigelegtes Mauerwerk, halb entkleidete Luftbefeuchter, Miniaturgebirge aus grauem Aushub, die Vorhänge im Treppenhaus auf Halbmast. Auf seinen Fotografien fanden sich nur noch Spuren der Kunstwerke, ihrer Präsentation und Vermittlung, Umrisse oder Hängevorrichtungen auf der Wand, ein Wandtext ohne Adressaten. Durch den radikalen Funktionsverlust war dieses Haus in den Zustand der Liminalität eingetreten, eine Schwellensituation, nicht mehr und längst noch nicht wieder Museum. Damals vor allem ein wartender Bau – eine «Unbestimmtheitsstelle». (…) Niklas Goldbachs Foto-Serie Drift greift diesen Aspekt der Kunsthalle in einer kongenialen Struktur auf. Und nicht zuletzt durch diese wurde der Reihentitel Mind the Gap auch mit inspiriert. Die querformatigen Fotografien zerschnitt Goldbach während der Bildbearbeitung und entnahm jeder Aufnahme ihre Mitte. Die so entstandenen zwei Teile des einen Bildes driften auseinander und werden einzeln gerahmt. Es ergibt sich ein Diptychon um eine Leerstelle. Der Blick driftet und mit ihm die Erinnerung an diesen Raum. Die zwei Teile eines Diptychons kommunizieren klassischerweise miteinander. Hier kommunizieren die Fotografie-Fragmente über ihr verlorenes Zentrum, das missing link (hinweg). Goldbachs geteilte und um ihre Einheit gebrachten Bilder präsentieren einen Schnitt durchs Kontinuum des Raumes und des Bildes, eine Zäsur auch in der Zeit und lassen so zweierlei entstehen: Erstens eine häufig frappierend geschärfte, verwandelte Sicht auf den Rest-Raum in den jeweils beiden Bildteilen, der ebenso detailliert wie dekonstruiert ins Bewusstsein tritt – übrigens in einer stillen, zwecklosen Schönheit, wie für sich zur Ruhe gekommen. Ein Raum, der sich selbst gehört. Zweitens eine erhebliche Wahrnehmungsirritation und -aktivierung. In der Selbstbeobachtung wird klar, dass diese Konstellation Betrachter:innen neurophysiologisch animiert, in einer andauernd oszillierenden Bewegung das Unverbundene zusammenzudenken. Das Fehlen wird regelrecht körperlich spürbar. Der Blick weist seine reflexhaft teleosemantische Dynamik auf: Auge und Gehirn arbeiten zielgerichtet darauf hin, raumlogische Konsistenz zu erzeugen, Bedeutung als Ordnung zu generieren, denn sie gewährleistet Orientierung und Sicherheit und scheint physisch und psychisch erstrebenswert. Der Drang, die Kluft zu überbrücken, rückt die Betrachter*innen selbst als Bindeglied ins Herz des Werks. Wer den Raum kennt, kann die Lücke aus dem Gedächtnis schließen, durch Erinnerung kompensieren – es entsteht ein virtuelles Doppelbild. Goldbach forciert die Präsenz der Absenz. So wird die Anlage zu einem Synonym sowohl für Abwesenheit als auch für die imaginative Energie, die durch sie freigesetzt wird. Rudolf Arnheim zitiert eine Anekdote, die den Moment schildert, in dem Alberto Giacometti eine für sein Werk und die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts so bedeutende Ingredienz entdeckte. Giacometti saß malend mit seinem Biographen James Lord im Atelier. Lord berichtet: «Er fing wieder an zu malen, drehte sich aber ein paar Minuten später nach dorthin um, wo die Büste gestanden hatte, als ob er sie noch einmal betrachten wollte, und rief: ‹Oh, sie ist weg! Ich dachte, sie sei noch hier, aber sie ist weg!› Ich erinnerte ihn daran, daß Diego sie hinausgetragen hatte, aber er sagte: ‹Ja, aber ich dachte, sie sei da. Ich wandte mich um und plötzlich sah ich die Leere. Ich sah die Leere. Das passierte mir zum ersten Mal in meinem Leben›», berichtet Lord, und Arnheim fasst zusammen: «Die Leere sehen heißt, etwas in eine Wahrnehmung aufnehmen, das in sie hineingehört, aber abwesend ist; es heißt, die Abwesenheit des Fehlenden als eine Eigenschaft des Gegenwärtigen sehen.» In Drift wird die Leere als Lücke installativ prominent gemacht. Goldbach knüpft dabei sowohl an die Leere als Topos der Moderne (etwa Yves Kleins Le Vide, 1958) als auch an einen veränderten Bildbegriff an, einer in situ gedachten analytischen Malerei, die das Verhältnis von Bild als Objekt zu Rahmen, Wand und Raum reflektiert (man denke an Robert Ryman). Drift ersetzt die Wände der Kunsthalle durch die Wand des jeweiligen aktuellen Ausstellungsorts ihrer Abbilder, die diese aktuelle, andere Wand gleichsam einklammern. Die Serie der Kunsthallen-Bilder gehört zu einer Werkreihe, die Goldbach kurz vor seinem Besuch in Karlsruhe begann. Inspiriert wurde diese Methode des Eingriffs ins Bild durch eine Beobachtung. Vor dem Berliner Techno-Club Tresor entdeckte er eine modifizierte Reproduktion von Baldassare Peruzzis Apoll und die Musen, eines um 1514–1523 entstandenen Gemäldes, das im Palazzo Pitti in Florenz hängt und hier als Motiv eines Werbebanners diente. Besucher*innen hatten die Bildfläche ausgewählt, um nach durchtanzter Nacht beim Verlassen des Clubs jene Aufkleber loszuwerden, die dem Abkleben der Handy-Kameras dienen. Das digitale Auge der potenziellen Öffentlichkeit oder des eigenen Erinnerns wird verschlossen. Die im Reigen mit dem Lichtgott tanzenden Musen wurden durch die aufgeklebten Farbpunkte mit Unbestimmtheitsstellen übersät – wobei manche Besucher*innen offensichtlich ihre Buttons sehr gezielt auf Augen, Münder oder Ohren der Figuren applizierten. Goldbach fotografierte, separierte und potenzierte damit die Gesten der Auslassung, des Tilgens, die Unbestimmtheitsstellen. Kurz darauf entstand eine weitere Werkserie dieses Typs aus drei Porträt-Fotografien seiner Mutter in jungen Jahren. Niklas Goldbach hatte die Bilder nach dem Tod seiner Mutter, die an Demenz erkrankt war und 2024 starb, von einer Cousine erhalten – ihm unbekannte Bilder. Sie zeigen die Mutter vermutlich im Jahr der Geburt des Künstlers. Goldbach schuf mit seiner Methode hier ein doppeltes, sehr persönliches und gravierendes Bild des Verlustes, des Abdriftens, des Einschnitts, der Absenz von Erinnerung. Denn die fehlte nicht nur der Mutter am Ende ihres Lebens schmerzlicher Weise gänzlich, sondern auch dem Sohn in Bezug auf jenen Lebensabschnitt der Mutter, der in jenen Fotos aufgehoben war (…). Auszüge aus: EXHIBITION VIEWS Exhibition views:
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