RECENT WORKS | FORM AND CONTROL: BOULEVARD DE L'EUROPE | ||||||||||
Video, 6:04 min, HD Video, Stereo, 2016 Text: Niklas Goldbach
Der Berliner Künstler Niklas Goldbach untersucht in vielen seiner Werke die Spannung zwischen Gesellschaft und Individuum, Architektur und Natur. Boulevard de l’Europe (2016) ist das erste Video seiner Serie Form und Control. In dieser Serie untersucht Goldbach raumgreifende Architekturen unserer Zeit, die eine Gesellschaft zwischen Fortschritt und ökonomischem Profit widerspiegeln. Boulevard de l’ Europe (2016) wurde auf der französischen Seite des Eurotunnels gedreht. Er verbindet unter dem Ärmelkanal Großbritannien und Frankreich miteinander. Diese innereuropäische Grenze wird durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen betrieben. In jüngster Vergangenheit starben zahlreiche Flüchtlinge bei dem Versuch, über den Eurotunnel illegal nach Großbritannien einzureisen, wo sie sich bessere Aussichten auf Asyl erhofften. Infolgedessen wurden die Sicherheits-vorkehrungen des Grenzpostens massiv aufgerüstet. In ruhigen Kameraeinstellungen untersucht Goldbach die Anlagen aus Zäunen, Stacheldraht und Überwachungskameras. In der Postproduktion hat er jegliche menschliche Aktivität entfernt und einen künstlichen Raum erschaffen. Innerhalb eines vermeintlich liberalen, freizügigen Europa manifestieren sich in den gezeigten Bauten Kontrolle, Freiheitsbeschränkung und Abgrenzung […]. Anna Maria Heckmann, Ausstellungstext 12x12, Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, 6/2016
[…] Wie gesagt, weit und breit nichts zu sehen von einer romantischen Vorstellung. Doch wo soll sie auch zu Hause sein heutzutage? Jedenfalls nicht in Goldbachs Arbeiten. Seine Videotrilogie atmet Endzeit, jegliche menschliche Aktivität im Film wird in der Postproduktion entfernt – wie in Boulevard de l’Europe, dessen Aufnahmen rund um die Absperrungen auf der französischen Seite des Euro-tunnels entstanden. Dort, wo auch zahlreiche Flüchtlinge ihr schwankendes Glück gen Großbritannien wagten. Doch die muss sich der Betrachter dazu denken. Goldbach zeigt lediglich die aufgerüstete, abweisende Sicherheitsarchitektur. Und alles, was sich bewegt, tut das nur wegen des Windes: das kräuselnde Meer, dürres Gestrüpp, rotierende Windräder. Ähnlich und doch anders ist Goldbachs Ausflug an die amerikanische Küste nach Atlantic City. In dem Spielerparadies sollte ein neuer Riesenkomplex aus Hotel und Casino entstehen: Revel. Dafür musste die kleinteilige Bebauung in Ufernähe weichen. Aber der Gigant mit Glasfassade, in den fast 2,5 Milliarden Dollar geflossen waren, steht leer. Eine Investruine. Vor dem sarkastisch wirkenden postkartenblauen Himmel kreischen nur die Möwen, sonst herrscht Ruhe. Nutzlos alles, wie der abgesperrte Eingangsbereich. Security patrouilliert dennoch im dunklen SUV. Selbst die Leere muss bewacht sein. Und schließlich umrundet Goldbach auch die Dresdner Chipfabrik. So stellt er dem Foto-porträt aus dem Inneren die Aufnahmen von außen gegenüber. Dabei hinterfragt er die Funktion des Ganzen wie auch des Einzelnen in diesem Gefüge. und greift dafür auf einen ungewöhnlichen Stichwortgeber zurück: Marvin, den depressiven Roboter aus Douglas Adams’ „Per Anhalter durch die Galaxis“. Dessen legendär gewordene Aussagen wie „Soll ich mich in eine Ecke setzen und vor mich hinrosten, oder soll ich gleich hier auseinanderfallen?“bringt Goldbach virtuell ins Bild (auf Englisch). Und wirft damit plötzlich doch einen sehr romantischen Gedankengang ein: den des Vergänglichen […]. Auszug aus: Torsten Klaus, "Keine Romantik, bitte", Dresdner Neueste Nachrichten, 14 November 2017 VIDEO EXCERPT EXHIBITION VIEWS
Exhibition views: Exhibition view:
VIDEO STILLS
|
|||||||||||